Hinweis: Dieser Text ist aus unserem alten Blog aus dem Jahr 2000 – wir haben ihn unverändert übernommen, weil er immer noch aktuell ist:
Dreckig muss es sein….
Industriell genutzte Systeme sind anderen Belastungen ausgesetzt, als Ihr Desktop PC in Ihrem Büro. Staub, Dreck und Wasser sind Umwelteinflüße auf die Ihr Schreibtich PC i.d.R. muffig reagiert – industrielle PC Systeme müssen das hingegen klaglos aushalten. Wer schon einmal die berühmte Kaffeetasse über seine PC Tastatur entleert hat, weiss was ich meine. Der PC in der Industrie soll das hingegen aushalten – wobei Kaffee noch ein milde Flüssigkeit wäre. Schlimmer sind Öle, Fette und was sich sonst noch so an unangenehmen Sachen in der Fertigung befindet. Industrie PCs können das ab – und das ist auch einer der Gründe warum Industrie Systeme meistens etwas teurer sind als der “herkömmliche” PC.
Damit Sie wissen, ob Ihr Industrie PC Kaffee und auch andere Sachen noch problemlos ab kann: für den Einsatz in einer Industrieumgebung sind Schutzklassen und Normen definiert, die angeben, welchen Umweltbelastungen hinsichtlich Berührung, Fremdkörper- und Feuchtigkeitsschutz ein System ausgesetzt werden kann, ohne Schaden zu nehmen. Definiert werden die Schutzklassen in der IP Norm, DIN EN 60529: Schutzarten durch Gehäuse (IP Code).
Der IP Code besteht typischerweise aus einer zweistelligen Ziffernkombination, die den jeweiligen Schutzgrad angibt, z.B. IPxy (oder IP54). Die erste Ziffer x spezifiziert die Schutzklasse für Berührungs- und Fremdkörperschutz, die zweite Ziffer y den Wasser- und Feuchtigkeitsschutz. Das Ganze klingt vielleicht etwas kompliziert – ist es aber nicht. Man muss halt nur die Tabellen kennen.
Nachstehende Tabellen (ohne Gewähr) erläutern die Bedeutung der IP Codes
Tabelle 1: Berührungs- und Fremdkörperschutz
Tabelle 2: Wasserschutz
Übliche Schutzklassen in der Praxis und einige Hinweise
Ihr Büro PC weist typischerweise einen Schutz nach IP20 auf. Fremdkörper ab einer gewissen Größe können nicht eindringen – und Flüssigkeiten sollten Sie von dem Ding gänzlich fern halten.
Für “normale” Industriesysteme in geschlossenen Werkhallen wird üblicherweise Schutz nach IP54 angeboten = Staubgeschützt + Geschützt gegen Spritzwasser.
Für Systeme im Außeneinsatz (Fahrzeuge etc) wird ein Schutz nach IP65 empfohlen (=Staubdicht + Geschützt gegen Strahlwasser).
Schutzklassen <= IP40 bieten nur Schutz gegen Berührungen und sind nur dann sinnvoll, wenn ein Industriesystem seinerseits wieder in ein Gehäuse (z.B. in einen Schaltschrank) eingebaut wird.
Bei der Verwendung industriell genutzter Systeme wird grundsätzlich empfohlen, auf die IP-Schutzklasse zu achten. Ein mit IP20 geschütztes System ist z.B. auf einem Gabelstapler im Außenlager ausgesprochen schlecht aufgehoben. Ein nach IP67 geschütztes System in der Zeiterfassung und Zugangskontrolle ist dagegen in vielen Fällen überdimensioniert – wenn es nicht gerade in einem U-Boot eingesetzt wird.
Nicht jedes System kann problemlos mit einer hohen Schutzklasse ausgeliefert werden. Schutzklassen, die gerade im Wasserschutz (zweite Ziffer) einen hohen Schutzgrad bieten sollen, bedingen in den meisten Fällen ein geschlossenes (gekapseltes) Gehäuse. (Keine Lüftungsschlitze – draus folgt auch meistens: kein Lüfter. Denn ein Lüfter ohne Lüftungsschlitze ist auch nicht so die geniale Idee…)
Auf der anderen Seite: wenn Sie einen Computer ohne Lüfter betreiben, müssen Sie auf die Leistungsabnahme und Wärmeableitung achten. Generell gilt: Je höher die Prozessorleistung eines PC-Systemes, desto höher ist üblicherweise auch die abgegebene Verlustleistung, die in Wärme abgegeben wird. In einem geschlossenen Gehäuse kann die Wärme nicht entweichen – durch Hitzeschäden bedingte Systemausfälle sind dann die Folge. In einem solchen Anwendungsfall ist der Kühlung besondere Aufmerksamkeit zu schenken, z.B. durch spezielle Wärmetauscher, die Kühlmöglichkeiten auch in geschlossenen Systemen bieten.
Und noch ein besonderer Hinweis für Festplatten – und Windowsfreunde: Festplatten sind meistens das Bauteil, das ausgesprochen sensibel auf Hitze reagiert. Die Folge sind Lese- und Schreibfehler, die unglücklicherweise meistens bei längerem Betrieb auftauchen – weil ein Hitzestau aufgrund unzureichender Kühlung blöderweise erst später zum Tragen kommt. Daher empfehlen wir schon während der Testphase einen längeren Dauerbetrieb, denn gerade sehr preisgünstige No-Name-Systeme weisen hier oftmals grauenhafte Schwächen auf.
Untertauchen…
Wir sind Taucher. Aus diesem Grund interessieren uns die “hohen” Normen hinsichtlich Flüssigkeiten besonders. Bevor Sie jedoch Ihren IP68 fähigen Laptop oder MP3 Player mit unter Wasser nehmen: achten Sie auf die Details der Normung!
Die Definition der IP68 Norm regelt zwar, dass ein Körper zwar dauerhaft unter Wasser getaucht werden kann – es wird jedoch keine Festlegung hinsichtlich der TAUCHTIEFE getroffen.
Ohne es kompliziert werden zu lassen: Zunehmende Wassertiefe erhöht den Umgebungsdruck, der auf einen Körper ausgeübt wird. Generell gilt: Der “normale” Umgebungsdruck in einer Höhe von NN 0 Meter um uns herum (an meinem Schreibtisch) beträgt 1 bar. Steigen Sie jetzt ins Wasser erhöht sich je 10 Meter Tauchtiefe der Druck um ein weiteres Bar. Wenn Sie also mit Ihrem MP3 Player 30 Meter tief tauchen, müssen Sie und Ihr Computer einen Aussendruck von 4 bar standhalten. Das ist schon ungefähr das Doppelte von dem, was sich in Ihren Autoreifen befindet. Schnell einleuchtend dürfte dann der Satz sein: Je höher der Umgebungsdruck, desto wahrscheinlicher ist irgendwann ein Wassereinbruch am System.
Für IT Systeme im Tauchsport (z.B. für unsere Tauchcomputer, die wir als lebenserhaltende Maßnahme unter Wasser immer mit uns führen) muss daher der maximal aushaltbare Druck bzw. die maximale Tiefe definiert werden, in der – bedingt durch den Umgebungsdruck – ein Wassereinbruch die Folge sein wird. Die IP68 Norm verwendet hierzu die Definition “… in Bedingungen, die zwischen Hersteller und Anwender vereinbart werden…”. (Bitte lesen Sie daher das Kleingedruckte, BEVOR Sie Ihren MP3 Player mit unter Wasser nehmen…)
Und noch ein Hinweis aus der Praxis: Wir haben selbst einmal ein Projekt realisiert in dem für einen Kunden spezielle Gehäuse mit IP65 Schutz gekauft und verwendet wurden. Obwohl die Gehäuse korrekt montiert wurden, stellte sich im Test heraus, dass der IP Schutz jedoch bereits bei Lieferung nicht gegeben war.
Die Nachbesserung war etwas hektisch, weil Liefertermine eingehalten werden mussten. Die Erklärung war später aber recht einfach: Bei der Entwicklung des Gehäuses wurde seitens des Herstellers ein IP Schutzklassentest durchgeführt. Im Laufe der Produktionszyklen wurden jedoch Materialveränderungen eingebracht, die dazu führten, dass der IP Schutz erloschen ist. Auf IP Tests nach den Änderungen wurde verzichtet – entweder schlichtweg vergessen oder aus Kostengründen. Damit wurden die Gehäuse zwar als IP65 Gehäuse verkauft – besaßen aber de facto keinen IP65 Schutz mehr. (Fragen Sie uns bitte nicht nach dem Namen des Herstellers. Erstens liegt die Sache schon lange zurück, zweitens werden wir hier keine Negativwerbung betreiben.)
Unsere Empfehlung: Wenn Sie wirklich IP65 (oder höher benötigen), testen Sie das gewünschte Gehäuse selbst vor der Verwendung – entweder mindestens mit einem Wasserschlauch (den Test kann jeder selbst machen) oder fachgerecht in einem Labor. (Beim Selbsttest ist es übrigens hilfreich, dass Leergehäuse zu testen, BEVOR Sie Ihre Elektronik einbauen. Am besten das Gehäuse mit Zellstoff ausfüllen – dann können Sie einen möglichen Wassereinbruch und die Schwachstelle ziemlich genau lokalisieren.)
Und falls Sie es noch “härter” haben möchten: Wir nehmen Ihre Systeme bei unseren wöchentlichen Tauchtrainings auch gerne mit unter Wasser und unterziehen die dort einem 30…60 minütigen Praxistest so in der Art – diving proofed…
Auf eine Sache möchte wir noch hinweisen: Wenn Sie IP65 Gehäuse (oder höher) einsetzen, sollten Sie unbedingt darauf achten, dass der IP Schutz durch häufiges Öffnen des Gehäuses verloren gehen kann! Feuchtigkeitsschutz wird meistens durch Gummidichtungen erzielt – wenn diese zu oft entlastet und belastet werden, geht der Schutz verloren. Am besten beim wiederholten Schliessen des Gehäuses neue Gummidichtungen einziehen – oder mit spezieller Abdichtmasse, wie wir sie auch bei einigen Systemen in unserer Tauchpraxis verwenden.
Ein Blick auf unserer Industriesysteme findet sich hier: Industrieterminals »
Infos zu IP Schutzarten bei Wikipedia »
Für diese und alle nachfolgenden Seiten gilt ebenso der obligatorische Hinweis: Alle Angaben ohne Gewähr. Bilder und Codes zeigen Beispiele. Diese Beschreibung bezieht sich auf unsere Installation und stellt keine Bewertung der verwendeten Techniken da. Fehler und Irrtümer vorbehalten!