Das Lieferkettengesetz

Das Lieferkettengesetz – Chance und Risiko zugleich

Ab Januar 2023 ist es nun Realität: das Lieferkettengesetz der europäischen Union!

Infos hier

Die EU hat es durchgesetzt. Das Lieferkettengesetz verpflichtet Unternehmen gegen Menschenrechtsverletzungen und Umweltverstöße bei Zulieferern vorzugehen.

Hierfür sind von den Unternehmen Abläufe im Risikomanagement schaffen und mindestens 1x pro Jahr eigene Tätigkeiten und Lieferanten einer menschenrechts- und umweltbezogenen Analyse unterziehen. Werden Sozialstandards eingehalten? Werden bei der Fertigung Aspekte von Umweltschutz und Nachhaltigkeit beachtet? Berücksichtig werden Unternehmen und Lieferanten gleichermaßen!

Werden Lücken oder Abweichungen entdeckt, sind Unternehmen verpflichtet, diese zu dokumentieren und Gegenmaßnahmen zu ergreifen.

Kein Gesetz ohne Konsequenzen: Die verantwortliche Überwachungsstelle für Einhaltung des Lieferkettengesetzes ist das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle BAFA. Bei Verstößen können Bußgelder verhängt und Firmen von Ausschreiben ausgeschlossen werden.

Chance für Umwelt und Nachhaltigkeit

So weit die Theorie – in der Praxis:

Grundsätzlich ist das Lieferkettengesetz für jedes Unternehmen erst einmal eine gute Möglichkeit, um selbst nachhaltiger zu agieren. Jeder Betrieb kann sich die eigenen Abläufe bewusst machen, regelmäßig prüfen und ökologisch sinnvoll handeln.

Ziel des Gesetzes: Das Unternehmen soll nicht mehr nur nach Profit und Gewinn ausgerichtet werden, sondern auch nachhaltiges, verantwortungsvolles Wirtschaften stehen im Fokus des Wirkens. Zum Wohle von Menschen und Umwelt.

Die Idee der Politik: Vom Gesetz betroffen vorerst nur Unternehmen ab 30.000 Mitarbeiter – Klein- und Mittelständler sollten als nicht betroffen sein, dürfte sich jedoch als Irrglaube herausstellen!

Wie schon bei diversen Vorschriften davor, werden Großunternehmen auch dieses Mal ihre Lieferanten anschreiben und um Auskunft bitten. Da spielt es dann keine Rolle, ob du ein Mittelständler mit 200 oder 2000 Mitarbeitern bist oder „nur“ eine kleine Klitsche mit zwei Programmierern. Wenn du als Lieferant für den Produktionsablauf des Unternehmens relevant bist – dann bekommst du auch Post mit dem Auskunftsersuchen!

Naturgemäß, zuallererst schafft so ein neues Gesetz erst einmal zusätzliche Arbeit. Doch fairerweise kann man auch sagen: je kleiner das Unternehmen, desto weniger Arbeit fällt an. Der meiste Aufwand dürfte beim Großunternehmen und im Mittelstand verbleiben und hier dürften auch am schnellsten die Fachkräfte dafür fehlen. Daher protestieren gerade Mittelständler recht energisch gegen die Vorschriften und es bleibt abzuwarten, auf welchen Boden dieser Protest fallen wird.

Für einen hier betrachteten Kleinbetrieb jedoch – der hat es ungleich einfacher Lieferanten und eigene Umweltangelegenheit zu prüfen.

In vielen Kleinbetrieben ist nachhaltiges und umweltschonendes Wirtschaften seit Jahren Thema – auch wenn sie es bisher nicht gesondert dokumentieren. Ein Beispiel aus eigener Praxis: Wir haben Ökologie und Umweltschutz bereits frühzeitig umgesetzt. Damit jeder Mitarbeiter auch direkt live und unmittelbar informiert wird, wie ökologisch sinnvolles Handeln bei uns aussieht erstellt z.B. das Management bereits seit Jahren regelmäßig einen Report zur Einhaltung und Umsetzung jährlicher Maßnahmen zur Nachhaltigkeit. Dort werden eben solche Tätigkeiten dokumentiert und analysiert. Dieser Report wird der Belegschaft veröffentlicht.

Auch bei der Überprüfung der Lieferanten hat das Kleinunternehmen in der Regel die Nase vorn. Weil die Beschaffungsvorgänge kürzer und einfacher strukturiert sind. Wenn ich z.B. nur Software anbiete, wäre ich verpflichtet meinen Stromlieferanten, meinen Internetprovider und Computerhersteller zu prüfen. Sitzen diese in Europa, wovon auszugehen wäre, sind sie ohnehin vom Lieferkettengesetzes betroffen und dürfen an dessen Einhaltung interessiert sein.

Prüfungen im Ausland dürften schwierig werden

Schwieriger wird es bei Beschaffung im Nicht EU Ausland. Wenn ich bisher für meine Fertigung O-Ringe aus Metall beim billigsten Anbieter aus Asien bezogen habe, ist jetzt zumindest erst einmal massiver Mehraufwand zu befürchten!

Hält sich das Unternehmen in Asien an Umweltstandards und Arbeitsrichtlinien? Kann man die überhaupt mit EU Regeln vergleichen? Und kann ich das überhaupt prüfen, ohne vor Ort zu sein?

Die Antworten dürften in einigen Fällen nicht eindeutig und manchmal auch gar nicht optimal ausfallen. Die Konsequenz wäre es z.B. den Lieferanten zu wechseln. Denn wir erinnern uns: nicht mehr Profitmaximierung, sondern verantwortungsvolles Handeln sollen im Vordergrund stehen. Zumindest wenn es nach dem Willen der heutigen EU geht.

Nun hat die Corona Krise ohnehin gezeigt: die weltweite Verzahnung der Lieferketten und ungebremste Auslagerung der Einkaufsabläufe auf fernste Low Budget / Billig Anbieter sind nicht unbedingt zum Vorteil für eine Volkswirtschaft.

Ein O-Ring aus Eisen aus Fernost mag zwar incl. Herstellungs- und Transportkosten mit 3 Cent unschlagbar billig sein, wenn hierfür aber Mitarbeiter und Umwelt vor Ort ausgebeutet werden, ist sein Vorhandensein ökologisch gar nicht mehr wünschenswert. Und falls sich beim Transport auch noch das massiv Schweröl verbrauchende Containerschiff quer stellt oder im Herstellungsland ein Corona Ausbruch einen mehrwöchigen Lock Down nach sich zieht, ist der O-Ring dann plötzlich gar nicht mehr verfügbar!

Unterm Strich kommen wir damit in eine Situation, die viele Unternehmen in Post Corona Zeiten jetzt schon kennen: Dringend benötigte Teile kommen nicht an Land – Fertigungs- und Lieferabrisse sind die Folge. Bis abspringende Kunden und Umsatzverluste das ganze Unternehmen bedrohen. (Wenn dann noch eine Explosion der Energiekosten folgt, sind die Zutaten für eine Katastrophe schnell perfekt!)

So ergibt sich vielleicht mit dem Lieferkettengesetz auch für europäische Unternehmen ein unmittelbares Interesse, zukünftig nicht nur Lieferanten auszuwählen, die sich an die Umwelt- und Menschenrechtsvorschriften halten, – sondern auch Lieferpartnerschaften einzugehen, die vor Ort produzieren und so für eine stabilere Wirtschaft sorgen.

Man darf auch mit Spannung erwarten ob auch Behörden und Verwaltung ihre Ausschreiben entsprechend anpassen, dass nicht mehr der billigste Anbieter gewählt wird, sondern auch hier das Lieferkettengesetz Beachtung findet.


Nachtrag Juli 2023. Es läuft wie erwartet. Die ersten Kunden schicken bis zu 16 Seiten Fragebogen bei denen wir die Arbeitsbedingungen unserer Lieferanten bestätigen sollen. Dort tauchen dann so Sachen auf wie z.B. ist Kinderarbeit ausgeschlossen, werden die Mitarbeiter angemessen bezahlt, ist der Zugang zu Wasser möglich, sind Toiletten und sanitäre Anlagen in angemessenem Verhältnis vorhanden, entspricht der Wohnraum den Sozialstandards im Land etc pp. Eine gut gemeinte Idee der EU dürfte sich mit der Anwendung in der Praxis in ein Bürokratiemonster mit ungewissem Ausgang verwandeln.


Text und Entwurf. (c) AE SYSTEME Testcenter, Hans-J. Walter

Hans-J. Walter Hans-J. Walter ist Programmierer für Anwendungen in Windows DOT.NET / C# und Java / Android Apps und Autor journalistischer Fachbeiträge über interessante Technik, Trends und Innovationen. Kontakt: hjw@terminal-systems.de

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